Das Turnier
Ein persönlicher Bericht von Johannes Jörg
Format each of your headings below to Heading 2 to keep your post neat and SEO-friendly.
Vorab: Josef Meyer hatte 15.000 € für die Flugkosten für die europäischen Teilnehmer gesponsert. Dafür ein herzliches Dankeschön! Nicht zuletzt deshalb nahmen tatsächlich viele Nationen aus Europa mit kompletten Teams teil!
Das Turnier
Was schon beim Vortreffen am Abend vor der ersten Runde auffällt: Narayan, Josef, Elisa und Jakub haben die Regularien für das Event verändert. Dies trifft an manchen Stellen auf Ablehnung, ich finde die Änderungen aber fast durchweg sinnvoll. Eine große Veränderung ist die, dass im League-Modus (Knock-out-System nach einer Gruppenphase, also wie bei einer Fußball-WM) nach der Gruppenphase nicht nur die Finals ausgespielt werden und alle anderen zuschauen, sondern dass alle Platzierungen so ausgespielt werden, dass alle bis zum Schluss mitspielen. Es bleibt dabei immer noch ausreichend Zeit, sich Finalspiele anzuschauen, wenn auch nicht alle. Zum Halbfinale und zum Finale sind alle anderen auch fertig. Ich finde, das ist eine sehr sinnige Idee! Im Schweizer System wird die Spielzeit auf 30 + 5 reduziert! „Interessant“! Etwas schade finde ich, dass das Team-Event für den ICF-Cup jetzt nur noch ein halbes Team-Event ist: im Singles League-Event wird eine Start-Position der Teams aus den Einzelergebnissen ermittelt. Anschließend werden die Plätze in zwei Gruppen, von 1 - 8 und von 9 - 14) ausgespielt. Da wir als Team in der zweiten Gruppe landen, haben wir deshalb leider nicht die Chance, gegen wirklich hochklassige Teams zu spielen. Immerhin können wir unsere Spiele gegen Polen und Italien gewinnen und landen letztlich auf dem 9. Platz. Und ich möchte an dieser Stelle betonen, wie beeindruckt ich über den Kampfgeist und die spielerische Disziplin unseres Teams war. Da hätte es durchaus auch gegen „größere“ Teams die ein oder andere Überraschung geben können! Auch wenn ich die Team-Regelung deshalb etwas bedauere, macht sie für den Turnierverlauf durchaus Sinn. Überhaupt finde ich, dass es viel weniger Chaos gibt als bei anderen Turnieren, die ich in Asien erlebt habe. Das alles wirkt doch gut durchorganisiert. Hut ab vor dem Orga- und Umpire-Team! Bei den Turnierergebnissen werden ein paar Dinge klar: die Inder scheinen sowohl bei den Frauen als auch den Männern noch eine Spur dominanter geworden zu sein. Die direkte Konkurrenz Sri Lanka hat nach meinem Eindruck in keinem der Wettbewerbe auch nur den Hauch einer Chance zu gewinnen.
Die europäische Beteiligung läuft außer im Teamwettbewerb jenseits der Top Ten. Allerdings kann Pierre Dubois wieder sehr überzeugen, schlägt im Turnierverlauf etwa den Sri Lanka Meister Shaheed Hilmy in beeindruckender Weise und macht auch gegen indische Spieler eine tolle Figur, kann ein oder zwei sogar schlagen. Bei der deutschen Beteiligung überzeugt vor allem Peter Böcker, der mit seinen Platzierungen sowohl im Schweizer System als auch im League-System bester Deutscher wird.
Umpires
Mir ist schon bei früheren Tournieren in Asien die Besonderheit der Umpires (Schiedsrichter) aufgefallen. Dabei ist mir auch deutlich geworden, dass es mindestens zwei Gründe gibt, einen positiven Kontakt zu den Umpires zu pflegen. Erstens: Zunächst freuen die meisten Umpires sich, wenn sie im Spiel respektvoll begrüßt und freundlich behandelt werden, was sich sicherlich positiv auf das Wohlwollen auswirken dürfte. Eine freundliche Begrüßung per Handschlag zu Beginn der Partie bricht das Eis ziemlich schnell. Zweitens: die Umpires sind nicht einfach Umpires. Häufig sind es Spieler, die vielleicht gerade eben so nicht in den Pool der besten Spieler Indiens geraten sind, dabei aber noch sehr viel bessere Spieler sind als wir Europäer, oder aber sie sind verdiente Personen aus dem Carrom-Leben, die auch ganz hervorragende Carrom-Lehrer sind. Ich erlebe eine Situation, in der ich und die junge - vielleicht 20-25 Jahre alte - Schiedsrichterin schon für die nächste Partie am Board sind, dann aber die Runde noch mal neu eingetragen werden muss. Ich frage sie zur Überbrückung der Wartezeit, ob wir ein bisschen spielen sollen, was sie erfreut annimmt. Und ich sage mal so: ich gewinne auch mal ein board, aber im Turnier hätte ich gegen die spielerische Qualität der jungen Dame, die aus Mumbai kommt, wohl überhaupt keine Chance. Am vorletzten Abend des Turniers setze ich mich in die Runde der Umpires, die immer so ein bisschen für sich sind. Sie freuen sich darüber und es entwickeln sich angeregte Gespräche: jeder der Herren scheint ein ausgesprochener Carrom-Philosoph zu sein und dabei bekomme ich viele Einsichten darüber, was das Carromspiel in Indien so besonders macht. Das Aussehen von einem der netten Umpires verwirrt mich dabei allerdings immer ein bisschen, da er aussieht wie Adolf Hitler.
Striker Käufe + Ashwin „Fabrik“
Ganz besondere Erlebnisse dieser Reise waren für mich die diversen Striker-Käufe und das zwielichtige Flair, das sie umgeben hat. Ich hatte mir vorgenommen, ein paar Striker zu kaufen, was sich aber als gar nicht so einfach herausstellte. Zunächst fand ich nämlich weder Geschäfte noch konnte ich beim Turnier Verkäufer ausfindig machen. Das änderte sich erst, als ich mit Narkar Chandan (UK) darüber sprach und er einen Kontakt zu einem Verkäufer herstellte: „ein kleiner, älterer Mann mit einem Rucksack!“ Und das war ziemlich kurios: da die diversen Verkäufer ihre Striker nicht offiziell während des Turniers im Hotel verkaufen durften, bin ich dann dann mit dem Verkäufer der Firma Avinash aus dem Hotel rausgegangen und dann hat er außerhalb des Hotelgeländes seine Striker ausgepackt. Ich kam mir vor als würde ich beim Drogendealer Stoff kaufen! Die Auswahl an schicken und guten Strikern war dann aber nicht so riesig. Immerhin: drei habe ich gekauft. In den kommenden Tagen gab es dann noch mehr Kontakte, teilweise ergab sich das dann zufällig. Die Firma Synco war am vorletzten Tag anwesend, stellte die neueste Board-Serie vor und verkaufte auch Striker, von denen mich allerdings nur wenige überzeugten. Außerdem - und das war wirklich der Knaller - trafen wir den Chef der Firma Ashwin, was sich als großer Glücksfall herausstellte: die Striker, die er verkaufte, hauten mich völlig um. Hervorragende Qualität und schöne Muster und das für einen sehr guten Preis. Das waren so richtig kleine Kunstwerke! Nach dem ICF-Cup war sein ganzer Vorrat an guten Strikern verkauft, so begehrt waren die Dinger! Hier habe dann auch ich zugeschlagen!
Die Firma Ashwin habe ich dann mit Vladimir Saric (Serbien) und Christopher Walter (Malaysia) nach Beendigung des Turniers noch besucht, was auch sehr abenteuerlich war, da wir zunächst eine knappe Stunde mit dem Taxi aus Pune rausfahren mussten und die Fabrik trotz Navigationsprogramms von Chris zunächst nicht finden konnten. Wir fragten uns rum, aber niemand wusste was mit dem Namen anzufangen. Schließlich trafen wir bei der Suche auf einen Menschen, der uns einen „Verschlag“ zeigte - kein Schild, das auf die Firma hindeutete - und da waren wir dann. Ich hatte mir das etwas anders und größer vorgestellt und auch Striker gab es zunächst nur in sehr minderwertiger Qualität. Diverse Telefonate später tauchte dann aber der Chef auf (im Bild am Brett sitzend) und brachte auch noch mal ein paar Striker mit. Wir tranken Tee, spielten zwei Runden Carrom, kauften ein paar Striker und dann war gut.
Der Rückweg war dann auch wieder abenteuerlich, da wir zunächst kein Auto (in Thailand sagt man: TukTuk) finden konnten. Mit Chris, der an dem Abend wieder nach Malaysia flog, ging ich dann noch lecker essen und wir unterhielten uns prächtig. Er forderte mich dann noch auf, auf jeden Fall zur WM 2020 nach Lankawi, Malaysia zu kommen. Ich denke ernsthaft drüber nach…
Essen und Trinken
Zunächst einmal: ich habe alle Medikamente für die evtl. Not- und Durchfälle völlig umsonst mitgenommen. Außer einem gelegentlichen Brennen am Tag danach (…) haben mich weder das Essen und Trinken, noch die Klimatisierung umgehauen. Nach kurzer Eingewöhnung habe ich auch Essen und Tee an der Straße gekauft und habe alles gut vertragen! Einmal musste ich kurz schlucken: Sebastian kaufte sich in der Altstadt bereits geschälte und mit Wasser aus einem Eimer gewaschene Kokosnuss. Das konnte eigentlich nicht gut gehen, ist es aber. Unglaublich.
Schon nach 2 Tagen war ich wie wild auf die leckeren Gewürztees, die man überall für wenige Rupien bekommt: den günstigsten habe ich für 5 Rupien auf einem Frucht- und Gemüsemarkt gekauft. 5 Rupien sind etwa 6 Cent. Und auch das leckere indische Essen habe ich sehr genossen. Allerdings muss ich sagen, dass ich in den letzten drei Tagen in Pune beim Frühstück auf Müsli umgestiegen bin, da es mir dann doch ein bisschen viel indisch 24/7 geworden ist.
Louis feeding the kids
Eine sehr rührende Begebenheit erlebten wir eines Abends nahe der Fress- und Teebude, die in der Nähe unseres Hotels war: eine Gruppe von etwa 8 Straßenkindern saß im Halbkreis auf der Straße. Wir fragten uns, was die da wohl machen bis wir sahen, dass Louis Fernandes, ein toller indisch-stämmiger kanadischer Carromspieler und netter Mensch, sich mit den Kindern unterhielt. Ich ging zu Louis und fragte ihn, was da gerade passiert. Er lächelte mich an und sagte nur: „I’m just feeding the kids!“ Kurz darauf wurden Tees, Säfte, Fladenbrote und mehr gebracht. Diese Szenerie fand ich sehr anrührend, zumal Louis da auch keine große Geschichte draus machte. Die Kinder freuten sich sichtlich auf den für sie ungewohnten Festschmaus! Louis selbst ist wohl in einem Slum in Mumbai aufgewachsen und deshalb liegen ihm die Straßen-Kinder so am Herzen, dass er sich ihrer immer annimmt, wenn er denn mal in Indien ist.
Spaziergang mit Dirk und Sebastian
Am letzten Turniertag fuhren wir nachmittags mit dem Auto in die Altstadt, zunächst zu einem Fort, das sich Dirk und Sebastian auch von innen anschauten, anschließend liefen wir einfach durch die Straßen. Hier erlebten wir nette menschliche Begegnungen, zumal einige Menschen ganz wild darauf waren, von uns fotografiert zu werden. Wir bestaunten die baufällig aber dennoch pittoresk wirkenden Häuser, wir tranken - mal wieder - lecker Tee, diesmal aus Espressotassen und ich glaube sagen zu können, dass wir drei den Spaziergang und die vielen Eindrücke genossen, auch wenn wir einen Teil des Finals dadurch verpassten!
Alter Markt in Pune
Am Tag, nachdem Dirk, Sebastian und Peter abgereist waren, machte ich mich auf zu meiner ersten Erkundungstour in Pune. Ich hatte mich entschlossen, einfach in Pune zu bleiben und mir das Alltagsleben dort anzuschauen. Ich ließ mich etwa zwei Stunden treiben, in denen ich u.a. viele Adler sah, die sich offensichtlich in der Stadt ziemlich wohl fühlen. Ebenso fielen mir zum wiederholten Mal die Familien auf, die am Fluss in sehr ärmlichen Verhältnissen leben. Ich kam an vielen Geschäften und Obstständen vorbei und machte ständig Fotos. Wieder fiel mir auf, dass ich hier völlig unbehelligt durch die Stadt laufen kann, was ich sehr genieße.
Schließlich kam ich in ein Viertel, in dem sich kleine Gassen voller glitzernder Marktbuden voneinander abzweigen. Wie ich später erfahre, handelt es sich um den Markt „Tulsi Baug“. Hier gibt es aber offensichtlich nur Schmuck, Kleidung und Krims Krams zu kaufen. Am Ende des Marktes traf ich auf eine große Straße und mir fiel ein kirchenähnliches Gebäude auf, von dem sich in alle Himmelsrichtungen überdachte Hallen abzweigten. Es stellte sich heraus, dass es sich dabei um einen riesigen Markt handelt, in dem nur Obst, Gemüse und Kräuter verkauft werden. Der Markt haute mich völlig um, und wenn ich auch schon einige Märkte in meinem Leben gesehen habe, so war dieser der großartigste, den ich bisher erlebt habe: die Stimmungen in den Hallen waren sehr intensiv, von verwunschen bis lebhaft. Dabei saßen die Händler auf und in ihren Produkten.
Obwohl ich weit und breit der einzige hellhäutige Mensch bzw. Tourist war, fühlte ich mich so, als wäre meine Anwesenheit etwas Selbstverständliches. Ich konnte auch nach Lust und Laune Menschen, Gemüse und Obst fotografieren, ohne dass sich jemand daran störte. Die zwei Stunden, die ich über den Markt gelaufen bin, bleiben die eindrücklichsten, die ich in Pune gemacht habe!
Zwischenmenschliche Kontakte
Gerade bei einem Turnier so fernab der Heimat sind die zwischenmenschlichen Kontakte extrem wertvoll. Das fing bei mir schon beim Eurocup in Deutschland an, als mir Chandan Narkar aus UK anbot, mich in Pune rumzuführen, falls ich dort hin fahre. Was er dann auch getan hat: er hat mir den besten Teeladen am Platz gezeigt, wo wir uns dann das ein oder andere Mal eine Turnierpause gegönnt haben, hat einen längeren Spaziergang durch das abendliche Pune mit mir gemacht, bei dem er mir einige Tipps und Infos über Pune gegeben hat. Er lud mich zu einer „Spezialität“ nach dem Dinner ein, die sich als Bethelnuss herausstellte, etwas, was ich mir bisher immer mit Argwohn angeschaut habe. Er teilte mir mit, dass dafür 30 Zutaten vermengt und anschließend in einem Blatt eingewickelt werden (mit süßer Kirsche oben drauf!). Da konnte ich nicht nein sagen, und es war auch gar nicht so unlecker! Und last but not least: er hat mir den ersten Striker-Verkäufer vermittelt!
Daneben ergeben sich immer so viele Begegnungen und die Nähe zu Spielern, die man sonst nur auf youtube bdwundert, ist immer wieder irgendwie überraschend und herzerwärmend! Ein Foto mit dem Weltmeister Prashant More gefällig? Bitte, kein Problem!
Überhaupt tummelten sich in diesem Jahr „sagenumwobene“ Carrom-Persönlichkeiten beim Turnier: so war der mehrfache Weltmeister Maria mittlerweile ein Coach des indischen Teams, und Chandan machte mich mit dem Spieler und Lehrer bekannt, der vor Maria - also schon vor ziemlich langer Zeit - DER große indische Spieler war. Den Namen konnte ich mir allerdings nicht merken. Und auch für das Team war das Turnier sicherlich eine sehr gute Erfahrung: es gab zwar immer wieder kleinere Diskussionen, aber insgesamt sind wir uns wieder menschlich ein Stück näher gerückt und haben uns als Team prima präsentiert!
Carrom-Club Pune
Ich besuchte einen Carrom-Club in Pune zweimal: Sonntag Abend und Montag mittag (sehr unterschiedliche Erfahrungen!). Die Atmosphäre hier ist schwer zu beschreiben: der Clubraum war früher mal eine Muckibude, was man zum einen an den immer noch herumstehenden Geräten erkennen konnte, zum anderen an den Fotos von muskelbepackten Männern, die an den Wänden - über den Spiegeln - hängen. Ansonsten würde ich den Raum vielleicht als „Verschlag“ bezeichnen, den ich von außen niemals erkannt hätte. Könnte auch ne verunglückte Fahrradwerkstatt sein. Das faszinierend schummrige Licht nimmt mich sofort gefangen. Nach einem ersten Spiel fange ich an zu fotografieren und habe hinterher Spaß beim Aussortieren…
Am Sonntag Abend war auch Yogesh Pardesi - mehrfacher Weltmeister aus Pune - da, und spielte gegen einen hervorragenden Spieler, der auch beim Schweizer System des ICF-Cup dabei war. Ich filmte ein Board und hatte Glück: Yogeshs Gegner spielte einen White Slam!
Zwischendurch lud Yogesh mich ein, mit ihm eine Tasse Tee trinken zu gehen. Es war das erste Mal, dass ich mich etwas länger mit diesem sehr zurückhaltenden Menschen unterhalten habe. Eine sehr nette Begegnung und große Ehre für mich, da Yogesh eine der großen Spielerpersönlichkeiten in Indien ist!
So, vielleicht gibt es ja in diesem Jahr einen ähnlichen Bericht von der Insel Lankawi in Malaysia. Mal schauen!
Ich hoffe, Euch hat die kleine Reise gefallen!
Liebe Grüße, Johannes
Comentarios